Wenn der Pfarrer zwei mal klingelt - Seelsorge-Besuch
Zitat:
Alle Jahre wieder kommt in Polen nicht nur das Christuskind, sondern auch der Pfarrer.
Der sogenannte Seelsorgebesuch ist eine uralte, aber inzwischen unliebsame Tradition. Viele empfinden sie als Zumutung, weil die Geistlichen dabei nicht nur Spenden sammeln, sondern auch Informationen über das Privatleben der Gemeindemitglieder. Vor allem in den säkularisierten Großstädten stehen Priester deshalb immer häufiger vor verschlossenen Türen.
Jedes Jahr zwischen Weihnachten und Aschermittwoch beobachtet man auf Polens Straßen das gleiche Bild: Katholische Priester in schwarzem Gewand, oft noch von Ministranten im weißen Chorhemd begleitet, ziehen von Haus zu Haus, klappern Straßenzug für Straßenzug ab, um ihre "Schäfchen" zu Hause zu besuchen.
Jede Wohnung wird nach einem kurzen Gebet mit Weihwasser besprengt, auf dem Tisch stellen die Familien vorher ein Kruzifix und zwei Kerzen auf. Nach dem Gebet folgt ein kürzeres oder längeres Gespräch. Binnen weniger Wochen sind alle Familien einer Gemeinde auf diese Art gesegnet.
Alle, die es wollen – denn inzwischen wollen immer weniger Polen an diesem Ritual teilnehmen.
Denn die Geistlichen sammeln bei dem Seelsorgebesuch, wie es offiziell im Kirchenjargon heißt, nicht nur "freiwillige" Spenden, sondern auch detaillierte Informationen über das Privatleben ihrer Pfarrkinder – schließlich müssen sie ja wissen, ob diese auch wirklich brav alle Gebote einhalten.
Seelsorge oder Kontrolle?
Dass die Religionshefte der schulpflichtigen Kinder dabei kontrolliert werden, ist noch eine Lappalie – auch wenn sich viele Polen noch im Erwachsenenalter mit Unbehagen daran erinnern, weil sie es in der Kindheit als Zumutung oder gar Drangsalierung erlebt haben.
Paare, die ohne Trauschein leben oder nach einer Scheidung nicht kirchlich heiraten können, müssen sich manchmal bittere Worte anhören – vor allem in ländlichen Regionen, wo die Pfarrer sich nach wie vor gern als moralische Instanz gerieren.
Auch nach der Arbeitsstelle und dem Einkommen wird nicht selten gefragt. Vielerorts klagen Gläubige, dass der Pfarrer sogar regelrechte Karteikarten, Mappen oder Kladden mit solchen sensiblen Informationen über seine Gemeindemitglieder führt. Kein Wunder, dass viele Polen den jährlichen Seelsorgebesuch als unangenehmen Pflichttermin, ja Zumutung empfinden.
Geistliche, die besonders unangemessene Forderungen stellen, beispielsweise eine Mindesthöhe der freiwilligen Spende festlegen, ein "Kopfgeld" für jedes Mitglied der Familie verlangen oder die gespendeten Beträge samt Namen von der Kanzel verlesen.
Priester will Wunschmenü
In dieser Saison sorgte Pfarrer Kazimierz Cichoń aus dem schlesischen Dorf Przegędza für Aufregung. In der Kirche gab er seine äußerst exakten Vorstellungen preis, wie er empfangen und vor allem bewirtet werden möchte. Er sei auf Diät und könne daher nicht alles essen. "Am liebsten kalte Platte, dann wähle ich aus, was mir bekommt. Weißes Brot ohne Aufschnitt. Was Kuchen anbelangt, am besten Sand- oder Hefekuchen, leichtverdaulich."
Grundsätzlich würde mich der Besuch eines Pfarrers nicht stören. Rein lassen würde ich ihn jetzt nicht unbedingt. Ich mag keine unangemeldeten Besucher. Aber wenn er nett ist, würde man halt ein kurzes Pläuschchen am Gartenzaun halten, und er würde von mir auch eine Spende bekommen.
Wenn er unangenehm ist, hat er Pech gehabt. Aber hier bei uns auf dem Land sind die Gemeindepfarrer wohl eher nett.
Ich würde da also nach der jeweiligen Situation entscheiden.